Wohnungszähler vs. Zentral-Versorgung

für den Ladestrom in Tiefgaragen von MFH – Vorteile der zwei Optionen

Mit der Verabschiedung des WEMoG im Jahr 2020 wurde definiert: besteht ein räumlicher Zusammenhang zwischen Wohnungen in MFH und der dazugehörenden Garage bzw. PKW-Stellfläche, haben die Bewohner einen rechtlichen Anspruch auf einen Ladepunkt – gleichgültig, ob sie nun Mieter oder Eigentümer sind. Diese Wallboxen in den Tiefgaragen/Stellflächen können entweder über zentrale Zähler mit Strom versorgt werden oder über die jeweils zugehörigen Wohnungszähler der Bewohner. Die Gegenüberstellung zeigt, dass Zweiteres in der Regel eklatante Vorteile hat, während die Vorteile von zentraler Stromversorgung erst im Einzelfall nachzuweisen wären bzw. in Frage stehen.

Ladetechnik in privaten Tiefgaragen (TG) nach heutigem Standard besteht i.d.R. aus Wallboxen mit 11kW Leistung und bevorzugt direkt angeschlagenem Typ-2-Ladekabel, sodass „plug&charge“ möglich ist. Die Systeme benötigen fast ausnahmelos Lastmanagement, da sich die Leistungen der Wallboxen ansonsten zu einer Höhe addieren, die in den meisten Gebäuden und Wohnquartieren nicht verfügbar sein wird – zumindest nicht, wenn ein Ansatz gewählt wird, bei dem in einigen Jahren bis zu 100% der Fahrzeuge Ladestrom benötigen könnten. Ein nachhaltiges Ladetechnik-Konzept muss diese Möglichkeit berücksichtigen, schon aufgrund des Anspruchs nach dem WEMoG. Besteht kein räumlicher Zusammenhang zwischen Wohnung und Stellplatz, entfällt der Anspruch auf Ladetechnik und solche Fälle werden hier nicht betrachtet.

Optionen bei der Ladestrom-Versorgung

Bei der Ladestrom-Versorgung der Stellplätze sind zunächst zwei Fälle zu unterscheiden: Tiefgaragen, die nur einem zugehörigen Wohnhaus dienen (Fall A) und solche für mehrere direkt angrenzende Gebäude (Fall B). Im Fall A handelt es sich in der Regel um kleinere Garagen bzw. Stellflächen für die zwei Optionen der Ladestrom-Versorgung und Zählung bestehen:  Bezug über die bestehenden Wohnungszähler (Option 1) oder Etablierung eines neuen zentralen Zählers (Option 2). Im Fall 2 bestehen drei Optionen: Neben Option1 kann der Strombezug (de)zentral über je einen Zähler pro Gebäude erfolgen (entspricht Option 2), oder es besteht ein Zähler für die gesamte Parkfläche (Option 3). Sollen dergestalt über nur einen Zähler alle Ladepunkte versorgt werden, muss entweder einer der bestehenden Hausanschlüsse verstärkt werden, oder ein zusätzlicher ausreichend starker Anschluss für das oder die Grundstücke geschaffen werden.

Lastmanagement unabhängig von der Stromführung

Zum Verständnis sei betont: Die Lastmanagement-Systeme funktionieren unabhängig von der Art der Stromführung. Sie nutzen einen Kommunikations-Standard, bei dem (bei Bedarf) über die Typ-2-Kabel eine Information an die Ladegeräte in den Fahrzeugen gelangt, die Ladeleistung auf einen bestimmten Wert zu limitieren, gleichgültig welchen Weg der Strom nimmt.

Ladeleistung auch für Vielfahrer?

Aus zwei Gründen sollten explizite Vielfahrer bei Ladeleistung und Strommenge nicht das Maß bei der Auslegung der Ladetechnik sein, zumindest nicht ab einer bestimmten TG-Größe. Sie stellen statistisch eine Minderheit dar, die zum Einen die benötigte Ladestrommenge durchaus erhalten kann, weil es im Gegenzug ja Nutzer gibt, die deutlich weniger Strom benötigen. Zum Zweiten sollten sich der Aufwand und die Kosten der gemeinsamen Lade-Infrastruktur nicht an den Vielfahrern orientieren, sondern am „Durchschnitts-Nutzer“.

Vorteile zentraler Versorgung (Optionen 2+3)

Brandschutz fordert zentrale Abschaltung?

Zentral versorgte Systeme können im Brandfall auch zentral stromlos geschalten werden. Ob die örtliche Branddirektion dies allerdings überhaupt fordert, ist im Einzelfall zu prüfen. Die Münchener Branddirektion z.B. stellt diese Forderung nicht auf (Brandamtsrat Seidel, 2021). Nachdem es sich bei Ladetechnik um Niederspannungs-Systeme handelt, erscheint dies konsequent, denn bei solchen Systemen kann selbst unter Spannung bis hinunter zu 1m Abstand Brandbekämpfung betrieben werden. Der deutsche Feuerwehrverband schreibt dazu bereits im Febr. 2021: „Durch die vom Gesetzgeber formulierten baurechtlichen Mindestanforderungen sind im Brandfall ausreichend sichere Garagen definiert worden. Hier sind die brandschutz-technischen Schutzziele – unabhängig von der in der Garage eingestellten Antriebsart – berücksichtigt und eingearbeitet.“ Von Nachrüstung einer zentralen Stromabschaltung ist also auch hier keine Rede.

Die deutschen Versicherer (GDV e.V. 2020) betrachten eine zentrale Abschaltung als eine Möglichkeit zur Schadensverhütung, nicht als Muss. Eine inhaltliche Begründung für diese Sichtweise bleiben sie schuldig.

Stromschienen günstiger als Einzelkabel?

Zentrale Stromversorgung erlaubt den Einsatz von Stromschienen entlang der Stellplatzreihen, aus denen heraus jeder Ladepunkt Strom bezieht. Die Aussage, dass dies Kosten spart, ist allerdings nur in einem Fall möglicherweise richtig, nämlich wenn die TG nur eine Fahrspur hat, entlang der sich alle Stellplätze aufreihen. In allen anderen Fällen müssen mehrere Stromschienen installiert und versorgt werden, die zudem jede getrennt Leistungs-überwacht sein müssen. Im Gegensatz zu Einzelkabeln handelt es sich außerdem bei Stromschienen nicht um „Standard-Elektro-Technik“, sodass diese vergleichsweise teurer sind.

11kW aus Wohnungszählern nicht möglich?

Auch die Aussage, dass zentrale Stromversorgung deshalb stets erforderlich sei, weil Wohnungs-Abgänge keine 11kW Leistung zur Verfügung stellen können, ist nur in einigen Ausnahme-Fällen zutreffend:

  1. Bei alter Haus-Elektrik mit lediglich 3x20A Absicherung je Wohneinheit (statt 3x 35A)
  2. Bei alter Haus-Elektrik mit Wohnungszählern auf den Etagen
  3. Für solche Stellplatznutzer, deren Gebäude nicht an die TG grenzt.

Bei c zu beachten: Solche Stellplätze haben meist sowieso keinen Anspruch auf Ladetechnik nach dem WEMoG, weil die räumliche Nähe zur Wohnung fehlt.

Nur ein Lastmanagement?

Für die Option 3 gilt, dass im Gegensatz zu den Optionen 1 und 2 evtl. nur ein Lastmanagement-System erforderlich ist. Dieser Vorteil ist nicht relevant, wenn jede der Wallboxen für sich in der Lage ist die Lastregelung für eine Gruppe von Ladepunkten zu übernehmen (Masterboxen). Der Vorteil entfällt auch, wenn die zentrale Versorgung entsprechend Option 3 aus mehreren Stromschienen besteht, die wiederum jede für sich eine Lastregelung benötigen – siehe oben.

Vorteile von Versorgung über Wohnungszähler (Option 1)

Kein Dienstleister nötig

Wird der Ladestrom über die Wohnungszähler bezogen, wird keine Dienstleister benötigt, der den Strom beschafft und verteilt; die Ladepunktnutzer bleiben unabhängig.

Keine Abrechnungskosten

Sie müssen auch keine Abrechnungskosten tragen, die langfristig die Kosten der Ladetechnik vervielfachen(!). Bei z.B. 10,-€/Monat summieren sich 2.400,-€ in bereits 20 Jahren; abgesehen von den Wallboxen sollte der Anspruch aber sein, dass die Lade-Infrastruktur mindestens 50 Jahre genutzt werden kann, so wie die übrige Elektroinstallation in Gebäuden auch.

Keine Abhängigkeit vom Ortsnetz

Die Versorgung über Wohnungszähler funktioniert unabhängig von den Reserven im Ortsnetz, denn es werden nur die Leistung(en) des oder der bestehenden Anschlüsse verwendet, die bei Errichtung der Gebäude beim Ortsnetzbetreiber bestellt und bezahlt wurde(n). Er kann ihre Nutzung nicht im Nachhinein einschränken, sondern nur jeweils den Einsatz von Lastmanagement fordern, sodass stets max. die bestellte Leistung an dem oder den Hausanschlüssen gezogen wird.

Keine Abregelung nach §14a

Nur falls es sich um ein Neubau-Projekt oder eine Anschluss-Verstärkung handelt und falls der Ortsnetzbetreiber den Bedarf nachweisen kann, steht es ihm frei, die Abregelbarkeit der Ladetechnik nach §14a des EnWG zu fordern. Er muss dies dann allerdings auch vergüten. Verstärkte oder neue Anschlüsse für zentrale Ladestrom-Versorgungen müssen eine Abregelung nach §14a daher stets als Möglichkeit berücksichtigen. Bei Mitversorgung der Ladetechnik über die Wohnungszähler entfällt dies – auch bei Neubauten.

Freie Wahl des Stromlieferanten

Bei Versorgung über die Wohnungszähler kann jeder Ladepunktnutzer seinen Stromversorger frei wählen, was nach dem EnWG auch jedem Anschlussnehmer möglich sein muss. Zentral versorgte Systeme ermöglichen dies in der Regel nicht. Sollte ein Gericht oder der Gesetzgeber dies in Zukunft für privaten Ladestrom auch einfordern, werden all solche Systeme Umrüstungen vornehmen müssen und es wird voraussichtlich auch zu zusätzlichen laufenden Verwaltungskosten kommen!

Freie Wahl von flexiblen Tarifen

Bei Versorgung über die Wohnungszähler kann auch jeder Ladepunktnutzer entscheiden, ob und welchen flexiblen Stromtarif er evtl. in Zukunft nutzen will. Ab 2025 sind Versorger verpflichtet solche Tarife anzubieten. Auch ein zentral versorgtes System kann über solch einen Tarif Strom beziehen, allerdings wird sich der finanzielle Benefit dann nicht oder nur anteilig bei den Ladepunktnutzern niederschlagen.

Fazit

Bei näherer Betrachtung erweisen sich die Vorteile von zentral versorgten Ladetechnik-Systemen als nicht oder nur unter Umständen gegeben. Die Vorteile von Ladestrom-Versorgung über Wohnungszählern sind hingegen allgemeingültig und zahlreich. Insbesondere der finanzielle Vorteil wiegt schwer, der durch das Entfallen der Abrechnungskosten entsteht.

Alhard von Nordenskjöld, 24.März 2024

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